Den Inneren Narren entdecken
Georg Henkel
Den Inneren Narren entdecken. (Mit 56 Spielkarten).
Gesundheitspflege initiativ Esslingen 2013
ISBN: 978-3-932161-81-0
302 Seiten
Der Pädagoge und Theologie Georg Henkel legt hier eine kenntnisreiche Abhandlung über jene universale mythologische Figur vor, die bereits von C. G. Jung, Karl Kerényi und Paul Radin beschrieben und als der göttliche Schelm bezeichnet wurde. Dieser Schelm ist der trickreiche Gegenteiler , der all das auf den Kopf stellt, was für ein gelingendes soziales Leben unbedingt geboten zu sein scheint. Im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet man für solche Gegenteiler seit jeher die Bezeichnung närrisch , womit eine ausgesprochen widersprüchliche Lebensführung gemeint ist, die gleichzeitig alle Gegensätze aber auch wieder aufhebt: So kommt dem Narren einerseits all das Minderwertige, Verachtenswerte zu, das ein um soziale Akzeptanz bemühter normaler Mensch nach Kräften meidet. Andererseits repräsentiert der Narr aber auch eine archetypische Figur, die spirituelle Maßstäbe setzt und dem Normalsterblichen ungeahnte transzendentale Perspektiven auftut. Auf jeden Fall ist der Narr aber kein Konventionalist, sondern immer ein provokanter Exzentriker, der den normierten Lauf der Dinge verrückt . Doch insgesamt ist der Narr auch ein Genie der Unvernunft , wie Henkel es formuliert.
Der Autor sieht die archetypische Figur des Narren in jedem einzelnen Mensch verortet: als eine (mehr oder weniger akzentuierte) Teilpersönlichkeit, deren grundlegende Strategie auf nichts anderes als eine Dis-Identifikation abzielt. In diesem Zusammenhang bezieht sich Henkel stark auf Roberto Assagioli, den Begründer der Psychosynthese . In dieser Richtung der transpersonalen Psychologie spielen die Voraussetzungen für das Erleben von positiven Gefühlen eine große Rolle, so etwa die Facetten von fröhlicher Verspieltheit, komischer Witzigkeit, lustvoller Ekstase, unbedingter Freiheit ( Narrenfreiheit ), Fantasie, spontaner Herzlichkeit, bedenkenlosem Mut und intuitiver Hellsichtigkeit. All dies lässt sich dann auch unter der Facette des Humors subsummieren, der bekanntlich als ein besonderes Persönlichkeitsmerkmal zu sehen ist.
Henkels Buch enthält viele interessante Beispiele, originelle und witzige Wortspiele sowie auch schönes Bildmaterial. Getreu der Aussage, dass die fröhliche Verspieltheit zu den Charaktereigenschaften des Narren gehört, greift der Autor besonders gerne auf Karten eines speziell modifizierten Tarot-Spiels zurück. Die bereits erwähnten Facetten närrischen Gefühlslebens dienen als Grundmotive, aus denen sich wiederum 56 schön konzipierte Einzelmotive ableiten. Der Leser und die Leserin sind eingeladen, damit zu kombinieren und zu probieren, so dass sich daraus schließlich ein amüsantes, kreatives Narrenspiel ergibt, das den seelischen Kreislauf anregt und das eigene närrische Potential zu aktivieren vermag.
Michael Titze